Wozu das alles? - Geistliche Gedanken zum Karfreitag

Das Osterfest der Christen besteht nicht nur aus einem einzigen Tag. Es vereinigt in sich die Feier des Gründonnerstagsabends, des Karfreitags, des Karsamstags, der Osternacht und des Ostersonntags. Man spricht deshalb von der „Feier der drei Österlichen Tage“ als dem Höhepunkt des Kirchenjahres. Es handelt sich dabei um die Feier des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung Christi. Am Karfreitag wird vor allem die Passion Jesu in den Blick genommen. Karfreitag 2024: Krieg, Terror und Gewalt. Fast täglich hören wir davon. Auch Spott, Anfeindungen und Häme im Netz, Rassismus und Antisemitismus. Hat sich da der Wind gedreht? Zeigt da das Böse sein wahres Gesicht?

Auch Jesus von Nazareth erlebt unter seinem Kreuz Spott, Hohn und Provokationen. Aber woher eigentlich das Böse und warum soviel Böses? Kaum einer kann es erklären. Neid, Streit, Hass? Was steckt nicht alles in uns Menschen? Genauso hart auch die Frage nach dem Leid. Das viele Leid in der Welt, die vielen Soldatenkreuze auf den Friedhöfen in der Ukraine und in Russland, ein Meer von Trauer und Tränen bei den Angehörigen.  Wie kann man da noch an einen guten Gott glauben?

Aber stellt nicht auch Jesus am Kreuz die Leidfrage, die sog. Theodizee-Frage“? „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dieses „Warum“ bedeutet eigentlich genauer übersetzt „für was “ oder „wozu“ hast du mich verlassen? Es ist die Frage nach dem Sinn und Ziel seines Kreuzestodes: Was hast du, Gott, mit mir vor? Wozu soll das alles gut sein? Wohin soll all das führen? Heute also, am Karfreitag, geht es um ein Umdenken, um einen Perspektivwechsel. Ja, es ist nötig.

Das bekräftigen auch die letzten Worte des Christus am Kreuz: „Es ist vollbracht!“ Aus dem Griechischen kann es wörtlich auch so übersetzt werden: „Es ist bezahlt!“ Aber was ist bezahlt? Ist es unsere Schuld? Gar die ganze Schuld der Menschheit und „die Sünde der Welt?“  Das heißt: Dieser totale Riss und Bruch zwischen Gott und den Menschen: Er ist geheilt. Wäre das nicht sogar eine frohe Botschaft, die alles ändert? Ein Umdenken in der Frage: Nicht warum lässt ein guter Gott Böses zu? Sondern wozu, zu welchem Zweck? Er lässt es zu, damit sich der Mensch sich freien Herzens für das Gute entscheidet und es auch tut. Dieses Umdenken und andere Denken heute am Karfreitag, es ist erlösend. Es ist Heil verheißend.

Dies gewiss für einen gläubigen Menschen, der an die Auferstehung und an das ewige Leben glaubt. Für Nicht-Glaubende muss sich das widersprüchlich und absurd anhören. Aber dem Glaubenden hilft es, heute im Blick auf das Kreuz umzudenken und sich innerlich umwenden zu lassen. Es hilft ihm, auf Frieden und Versöhnung zu sinnen. Aber genau das ist Gnade und Geschenk vom Gekreuzigten her. Sie eröffnet Hoffnung und Zukunft bei uns selbst, vielleicht eines Tages auch im Osten und Nahen Osten.

Pfarrer i.R. Richard Distler, Meckenhausen