Wir fließen alle zusammen - Gedanken zum Festtag „Taufe des Herrn“

Teilweise nur wenige Meter ist er breit: der Fluss Jordan, in dem Jesus getauft wurde. Sandt schlängelt er sich durch das Heilige Land. Steppe und Wüste reichen an einigen Stellen direkt an sein Ufer. Ein anderer Fluss ist es aber, mit dem mich in diesen Tagen stärker beschäftigt habe: Es ist der Amazonas mit seiner knappen 7.000 Kilometern Länge, der sich durch tausende Quadratkilometer tropischen Regenwaldes schlängelt. Abertausende Zuflüsse unterschiedlicher Wasserfarben und -qualitäten speisen einen der mächtigsten Flüsse unserer Erde. Das Land rings herum, also Amazonien, stand im Mittelpunkt der diesjährigen Sternsingeraktion, die ich in meiner Pfarrei vorbereitet, organisiert und begleitet habe. Vor allem Projekte aus diesem äußerst gefährdeten Lebensraum wurde den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen in diesem Jahr vorgestellt. Dabei ging es vor allem um den Erhalt von Natur und Kultur. Unterstützt werden mit den gesammelten Spenden Bildungs- und Landwirtschaftsprojekte, aber auch der Erhalt von Traditionen und Kultur im Amazonas-Gebiet. „Gemeinsam für unsere Erde“ – so lautete das Motto der Sternsingeraktion 2024.

Nun am Ende der Ferien und der Weihnachtszeit ist die Sternsingeraktion fast überall abgeschlossen. Tausende Euros wurden gesammelt. In ganz Deutschland kommen wohl auch heuer wieder rund 50 Millionen Euro zusammen. Beteiligt waren begeisterte Mädchen und Jungen, die als „heilige drei Könige“ verkleidet, durch die Dörfer und Städte zogen. Außerdem waren unzählige Jugendliche und Erwachsene als Begleiter aktiv. Im Hintergrund wirkten Frauen und Männer als Fahrer, als Näherinnen und Bastler, als Köchinnen und geschickte Organisatoren mit – damit die diesjährige Aktion gelingen konnte. Es braucht also viele Beteiligte – jung und alt, erfahren und ungeübt, mit starker Begeisterung und kühlem Kopf, mit Organisationsgeschick und praktischen Fertigkeiten –, um etwas Großes entstehen zu lassen: wie die vielen Zuflüsse des Amazonas einen großen Strom bilden. Und so ist es auch mit der Kirche und unserer ganzen Gesellschaft: Es braucht die unterschiedlichen Begabungen und Begeisterungen, die verschiedenen Sichtweise und Erfahrungen, die zusammenkommen und langsam in eine Richtung fließen.

Und so ist es schließlich auch mit mir selbst: Alles gehört dazu – abertausende Äderchen und Poren, Nervenbahnen und Muskelzellen, Fähigkeiten und Talente, Gedanken und Ideen, Leidenschaften und Vorlieben. Wie viele Flüsse zu einem großen Strom zusammenkommen, so bin auch ich durch meine Zeit und Welt unterwegs: „mit Haut und Haaren“. Und auch mit all den anderen bin ich auf dem Weg, also mit all dem, was sie können, wissen, erfahren, erleben, ausdrücken, tun und schaffen. Was aber ist unser Ozean, auf den wir gemeinsam zufließen?

Vielleicht gibt der kleine Fluss Jordan im Heiligen Land darauf eine Antwort: Jesus wird dort von Johannes getauft. Am Festtag „Taufe des Herrn“ feiern wir heute: Gott ist Mensch geworden, lebt wie einer von uns, mitten unter uns. Und er lässt sich taufen, taucht unter, steigt ganz hinab in die Fluten des menschlichen Lebens. Eine Stimme vom Himmel ist schließlich dabei zu vernehmen: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“  Es ist gut, dass Gottes Sohn ein Mensch geworden ist. Das Mensch-Sein überhaupt ist gut und gottgewollt. Auch unser Leben mit all dem, was dazugehört, hat seinen Sinn. Und schließlich darf es in Gott münden – mein Leben und unser aller Leben. Jeder und jede kann etwas dazulegen und beitragen – wie die vielen Zuflüsse des Amazonas.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt und Habsberg