Impuls zum Osterfest: Der Beginn einer neuen Welt?

Neumarkt (dbnm) - Pfarrer Markus Fiedler aus Postbauer-Heng fragt, ob das bekannte Spiel "Die Reise nach Jerusalem" ein Modell für ein österliches Zusammenleben sein kann.

Der Beginn einer neuen Welt (1 Kor 5,8)

Das Buch Viele von Ihnen kennen das Kinderspiel „Reise nach Jerusalem“: Es stehen Stühle im Raum - exakt einer weniger als Mitspieler vorhanden sind - und die Mitspielenden laufen zum Klang von Musik durch den Raum. Wenn die Musik plötzlich verstummt, müssen alle versuchen, sich auf einen Stuhl zu setzen. Wer keinen Sitzplatz mehr findet, scheidet aus. Gewonnen hat, wer am Schluss sich auf den letzten verbliebenen Stuhl setzen kann.

Dieses Kinderspiel griff im Jahr 2002 der Künstler Olaf Metzel anlässlich der Eröffnung der Pinakothek der Moderne in München auf. Olaf Metzel liebt es, mit Stühlen zu arbeiten. Manchem wird noch seine Kunstaktion im Jahr 2006 im Gedächtnis geblieben sein, bei der er den Schönen Brunnen in Nürnberg unter einem Stuhlgebirge begrub. Für die große Treppe in der Pinakothek der Moderne hat er sein Kunstwerk „Reise nach Jerusalem“ gestaltet. Auf den ersten Blick sieht man bunte Plexiglasbahnen, die bis zur Decke reichen. Sie umgeben eine der Säulen des Museums. Und wenn man dann ganz nahe an die Installation herankommt, sieht man im durch die Anordnung der gewellten Plexiglasplanen entstandenen Innenraum ein Durcheinander von Plastikstühlen: ineinander verkeilt, verbogen, durcheinander geworfen, teilweise geschmolzen und zusammengeklebt.

Eine „Reise nach Jerusalem“ kann man mit diesen Stühlen garantiert nicht mehr spielen. Ist Ostern nicht genau das: Beginn einer neuen Weltordnung? Nicht mehr Kampf um die besten Plätze, „Reise nach Jerusalem“ sondern Beginn einer Welt, in der Liebe und Erbarmen an erster Stelle stehen? In seinem 1. Brief an die Gemeinde in Korinth greift Paulus genau diesen Gedanken auf, indem er uns aufruft, Ostern zu feiern, „nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit.“ (1 Kor 5,8). Gerade für Ostern 2020 wünsche ich uns das von Herzen, dass die Liebe des Auferstandenen Menschen zum selbstlosen Dienst für andere drängt.

Ja, dieses Osterfest ist anders als andere, ohne große Familienbesuche, ohne Kirchgang, ohne Reisen und Ausflüge – aber vielleicht nicht weniger kraftspendend. Im Gegenteil: Vielleicht geht heuer die Botschaft vom Sieg des Lebens über alle Todesmächte sogar tiefer in manches Herz hinein, weil dieser Ruf „Jesus lebt“ uns alle erreicht in einer Lage, in der viel Unsicherheit im Spiel ist.Wenn nach Corona die wirtschaftlichen Schäden erst so richtig deutlich werden, dann wünsche ich mir österliche Menschen an den Schaltstellen der Macht, nicht solche, die die „Reise nach Jerusalem“ vom Kinderspiel zum blutigen Ernst werden lassen.

Pfarrer Markus Fiedler, Postbauer-Heng

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