Impuls zum Karfreitag: Das Leiden ernst nehmen

Neumarkt (dbnm) - Gerade in diesen Tagen drängt sich immer wieder die Frage auf: Warum lässt Gott dieses Leid zu? Der evangelische Pfarrer Michael Murner aus Neumarkt überlegt sich in seinem Beitrag, wie man mit dem Leiden umgehen kann.

Das Leiden ernst nehmen

Gekreuzigt, gestorben und begraben: am Karfreitag gedenken Christinnen und Christen des Todes Jesu. Sein Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“greift die mit diesem Tag verbundenen Fragen nach der Gegenwart Gottes im Leiden auf.

Für evangelische Christen ist der Karfreitag von der Tradition her einer der höchsten Feiertage. An diesem Tag steht alles still. Die Geschäfte sind geschlossen. Es gilt Tanzverbot.

Dieser Tage beschleicht mich das Gefühl, als hätten wir seit über zwei Wochen eine erweiterte Form von Karfreitag, die auch an Ostern nicht enden will.

Nichts ist wie gewohnt am diesjährigen Karfreitag – nicht einmal eine „Heiden-spaß-Tanzparty“ am Karfreitag kann es geben als Protest gegen das generelle Tanzverbot, wie zuletzt in mancher Großstadt. Der Kampf um die Gesundheit der Menschen geht über alle anderen Bedürfnisse.

Jesu Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ hat sich für viele unter uns unversehens im „social distancing“ in konkrete Alltagswirklichkeit verwandelt.

Diese räumliche Distanzierung als schärfste Waffe im Kampf gegen die Verbreitung des Corona-Virus schneidet aber leider auch bei vielen tiefe Wunden der Vereinsamung in die Seele: die Großeltern, die nicht mehr besucht werden, die Kinder und Jugendlichen, die ihre Freunde nicht mehr besuchen dürfen, die Menschen in den Pflegeheimen, die im schlimmsten Fall nicht mehr aus ihren Zimmern dürfen, in jedem Fall aber keinen Besuch bekommen, die Familien, die in kleinen Wohnungen nicht mehr genug Raum haben, um seelischen Dampf unschädlich abzulassen, mancher Sterbende, der nicht besucht werden darf.

Viele andere Beispiele ließen sich noch finden, und in allen Fällen ist das nicht lustig und ein echtes Leiden an der gegenwärtigen Ausnahmesituation. Wie vielen geht es dabeiwiedem Beterim Karfreitagspsalm: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Weit entfernt ist meine Rettung. Ungehört verhallt mein Hilfeschrei. ‘Mein Gott’, so rufe ich am Tag, doch du gibst keine Antwort. Und so rufe ich in der Nacht, doch nur Schweigen umgibt mich.“ (Psalm 22,1–3).

Die am Karfreitagsgeschehen orientierte Bekenntnisformulierung „Gott leidet in Jesus mit uns“ verbietet es – nicht nur in diesen Tagen – jegliches menschliche Leiden leichtfertig abzutun oder mit gut gemeinten Ratschlägen zu bagatellisieren. Es bleibt auch heute eine Lebensaufgabe einander im Leiden beizustehen und zu begleiten.

Pfarrer Michael Murner, Neumarkt

Zuletzt veröffentlichte Impulse:

9.4.2020 - Dekan Elmar Spöttle, Habsberg: "Sehnsucht nach dem Herrn"

8.4.2020 - Franziska Kneißl, Behindertenpastoral, Kastl: "Es tun sich neue Wege auf"

7.4.2020 - Jugendreferent Stephan Götz, Neumarkt: "Werde Frohbotschafter!"

6.4.2020 - Kaplan Michael Polster, Berching: "Gemeinschaft, die trägt"

5.4.2020 - Pfarrer Martin Hermann, Neumarkt: "Palmsonntag in ungewisser Zeit"

3.4.2020 - Schulseelsorger Helmut Enzenberger, Neumarkt: "Christliche Aufklärung..."

2.4.2020 - Kaplan Mariusz Chrostowski, Neumarkt: "Schau auf das Licht"

1.4.2020 - Diakon Xaver Bösl, Neumarkt/Deining: "Auf der Suche nach Wahrheit"

31.3.2020 - Pastor Florian Fürst, Ecclesia Neumarkt: "Auf Jesus schauen"

30.3.2020 - Claudia Kühnlein, Gemeindereferentin, Neumarkt: "Einer von vielen"

29.3.2020 - Domkapitular Norbert Winner, Neumarkt: "Der Kraft des Gebetes vertrauen"

27.3.2020 - Pfarrer Michael Konecny, Deining: "Drei handliche Grundregeln"