Ausgeliefert? - Ein Impuls zum Gründonnerstag

Na endlich, jetzt haben sie ihn! Er ist ihnen jetzt ausgeliefert, in ihren Händen. Doch diese Nacht wird auch zeigen: Sie haben noch keinen genauen Plan, ihn loszuwerden. Sie suchen noch nach dem besten Weg, um ihn endgültig aus den Weg zu räumen. Man bringt ihn in dieser Nacht vor den Hohenpriester, den Hohen Rat, später zu Pilatus, dann zu König Herodes, der gerade in der Stadt weilt, und wieder zurück. Man schubst ihn hin und her, bis man ihn endlich loswird. Jetzt braucht es Zeugen, die falsch aussagen, vielleicht weitere Verräter, das Verdrehen der Wahrheit, politische Tricksereien, einen Machtpoker. Man ist bereit, buchstäblich „über Leichen zu gehen“, um die alte Ordnung und die gewohnte Ruhe und den reibungslosen Betrieb wiederherzustellen.

Was Jesus in seiner letzten Nacht erleben muss, ist eine Mischung aus Nicht-Zuständigkeit, Unverständnis, Feigheit, Verachtung, Spott und Niedertracht. Die Boshaftigkeit dieser Welt ist innerhalb weniger Stunden wie unter einem Brennglas zu beobachten. Die beteiligten Menschen schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu, wollen ihre eigenen Hände am Liebsten in Unschuld waschen -- doch jeder und jede leistet einen Beitrag dazu, dass die Wahrheit und auch die Liebe völlig unter die Räder kommen. Es geht – wie immer -- um Macht und um die Karriere, um Ruhe und um vermeintliche Sicherheit, um Geld und Geschäfte, um eigene Lebensentwürfe – dass es mir selbst eben so gut wie möglich geht.

Eine Sache verraten, unehrlich sein, jemanden von Pontius zu Pilatus schicken, ihn Buchbinder Wanninger spielen zu lassen, die Würde eines Schwächeren missachten, lieblos agieren, eiskalt rechnen, vor allem an sich selbst denken – das ist scheinbar nicht nur ein historisches Geschehen im damaligen Jerusalem, sondern auch etwas, was wir aus unserer Zeit kennen. Eine „never ending story“? Diese endlose Reihe an Verhören, Prozessen, Erniedrigungen und Urteilen halten auch mir den Spiegel vor: Wo willst du mitmachen oder wo traust du dich, aus der Tretmühle auszusteigen? Was willst du alles hinunterschlucken oder wo willst du deinen Mund aufmachen? Wo willst du dich mitdrehen oder wo findest du die Kraft , aus dem Hamsterrad auszusteigen und andere Wege zu gehen? Wo bin überhaupt ich gefragt?

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

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